Violinkonzert
- von Sofia Gubaidulina
für Ann-Sofie Mutter -
Das Ende am Anfang
Schalltrichter für Sofia die Weisheit
Graue Locken beginnen zu klingen
Hörbare Träume auf Notenpapier die
Saiten der Geige werden persönlich
Auch Schlagwerk und Celli
Geraten ins Schwärmen
Die Tasten des Cembalos schließlich versuchen
Den Spitzentanz
Töne keuchen und hasten nach vorn
Fliegen und stürzen
Es steigern sich Klage und Zorn
Kampf der kein Ende nimmt
In jedem Takt neu erlebt Geburt und Tod
Variationen der Gleichung mit zwei
Unbekannten - Leben Musik
Namen sind mehr als nur Hülle
Sie beginnen zu leuchten - hell
Sofia Gubaidulina lauscht
Versuche
Der da viel Lärm macht
Um seine Sache um seine Seele
Das wirre Geflecht mit den vielen Namen
Der hämmert die Sehnsucht zu tief in den
Boden der bügelt die Falten zu hart
In den Stoff die Luft wird ihm knapp
Der Schwebezustand - er stellt sich nicht ein
Das Leichte verklebt
Die Töne verschwimmen
Effekt nur mit Tricks
Und künstlichem Nebel
Doch der mit der Flöte
Die uralten Steine beschwört
Mit den Bogenstrichen des Cellos
Den Baumeister lobt den Unbekannten
Der auf eigenen Füßen die Leitern erklimmt
Sich dem Himmel zu nähern
Und der am Abend das blaue Licht
Die Partitur aus dem Brennofen hebt
Das Leuchten und Klingen der Nacht
Aus dem All - der das Chaos zulässt
Und bändigt
Der füllt mühelos den Raum
In den Gängen der U-Bahn
Mut vor der Wirrnis der Drähte
Tapferkeit vor dem Riesen am feindlichen Ufer
Die Masten sind leer gepflückt
Leicht geworden fliegen durch
Gänge und Schluchten sie
Der grau gestrichene Himmel ist
Mit Orangen behängt
Sie färben den Mond und spielen Sternenballett
Unter weit gespannten Bögen
Mit Flöten- und Hörnerklang rollen sie fort
Zur nächsten Station keine Sorge die
Kontrolleure sind längst pensioniert
Genießen das Chaos auf Klappsitzen
Im Parkett wo man Mozart mit sicherem
Fingersatz über die Bühne trägt
Drei Beispiele für Texte / hier aus dem Buch “Viva la musica”